Hochsommerlich und viel Regen dank „Lambert“

Der Juni war auch 2023 sehr warm und außergewöhnlich sonnig

Fotos von Annette Mokross

Erinnert sich noch jemand an die „Schafskälte“? Dieser Begriff beschreibt eine sogenannte Wettersingularität, nach der im Laufe der ersten oder zweiten Junidekade mit späten Kälterückfällen in Mitteleuropa durch eine feuchtkalte Nordwestlage zu rechnen ist. Die Wahrscheinlichkeit dafür lag bis 1990 bei bis zu 70% und ist danach im Zuge des Klimawandels deutlich gesunken. In den letzten Jahren trat sie kaum mehr auf, stattdessen entwickelte sich der Juni in rasantem Tempo vom Früh- zum Hochsommermonat, der regelmäßig die Temperaturen eines durchschnittlichen Julis erreicht oder sogar überbietet – so auch in diesem Jahr. Auch beim Sonnenschein ist er in neue Dimensionen vorgestoßen: wie im Vorjahr fehlten nur zehn Stunden zum erst 2019 aufgestellten Rekord von fast 300 Stunden. Auf Regen mussten Mensch und Natur hingegen erst lange warten, bevor Tief „Lambert“ mit den höchsten 24-Stunden-Summen seit „Alfred“ im Juli 2017 für deutliche Entspannung in Sachen Trockenheit sorgte.

Cumulus- und feine Cirruswolken teilten sich den Himmel bei Ostwind am 15. Juni

Mit einer Monatstemperatur von 18,94 °C lag der Juni 2023 an der DWD-Klimastation in Bevern um 2,3 K über dem Mittelwert von 1991-2020; gegenüber der älteren Norm von 1961-1990 betrug das Plus sogar über 3,3 K. Insgesamt war es der viertwärmste seit Beginn der lokalen Wetteraufzeichnungen. Mit dem regelrechten Sprung ab dem Jahr 2016 und einer weiteren Beschleunigung seit 2019 ist das Junimittel der letzten acht Jahre auf 18,5 °C angewachsen und entspricht nahezu dem des Hochsommermonats Juli. Erstmals war die 18-Grad-Marke vor 20 Jahren, im Rekordsommer 2003, überschritten worden, der zweite Fall trat 2007 auf und seit 2018 blieb nur noch ein Juni (2020) unter 18 Grad. Zusammen mit dem Dezember liegt der Juni damit bei der Erwärmung der letzten zehn Jahre ganz vorn.

Hitze brauchte es dafür in diesem Jahr übrigens so gut wie keine – nur an einem Tag lag der Höchstwert in Bevern knapp über der 30-Grad-Marke. Doch bei der Anzahl der meteorologischen Sommertage von mindestens 25 Grad gab es mit 18 einen neuen Rekord in der gesamten Klimareihe Holzminden/Bevern seit 1934 in einem Juni. Ungewöhnlich kühl blieb es hingegen zum Auftakt: Am 1. wurde mit 15,1 °C das tiefste Monats-Maximum seit 2015 gemessen. Nur der nachfolgende Tag blieb noch unter der 20-Grad-Marke, die anschließende Serie von 28 Tagen darüber bedeutet die Einstellung des Rekords an sogenannten „warmen Tagen“. Infolge des in den ersten zwei Dekaden vorherrschenden Hochdrucks und der Trockenheit kühlte es in den Nächten meist gut aus, in der ersten Woche lagen die Minima noch regelmäßig im einstelligen Bereich. Ganz anders die Nacht zum 19., in der mit 19,6 °C eine Tropennacht nur knapp verfehlt wurde.

An der Wetterstation in Silberborn lag die Monatstemperatur mit 16,93 °C sogar fast 2,6 K über dem Klimawert der Jahre 1991-2020 bzw. 3,6 K über dem Mittel von 1961-1990. Auch im Hochsolling war es der viertwärmste Juni seit Messbeginn. Das Maximum wurde am 20. mit 26,2 °C erreicht und blieb von Hitze weit entfernt, bemerkenswert ist aber der für diesen Standort hohe durchschnittliche Höchstwert von fast 22 Grad. Am kühlsten war auch in Silberborn gleich der Monatsbeginn mit einem Maximum von 12,5 °C und die folgende Nacht mit einem Minimum von 6,2 °C, die wärmste Nacht war auch hier die zum 19. mit minimal 17,9 °C.  Warme Tage mit mindestens 20 Grad Höchstwert wurden ungewöhnlich hohe 23 gezählt, davon fünf meteorologische Sommertage.

Gewitter im Anmarsch am 16. Juni…

Die Analyse der Großwetterlagen über Europa zeigt bis über die Monatsmitte hinaus ausschließlich hochdruckgeprägte Nord- und Ostlagen, die den Wettercharakter – sonnig, trocken, warm, aber nicht heiß – gut erklären. Mit Drehung der Strömung auf Süd auf der Vorderseite eines Tiefdruckkomplexes über Westeuropa wurde ab dem Ende der zweiten Dekade vorübergehend feuchtere Luft nach Mitteleuropa gesteuert, die der anhaltenden Trockenheit durch Tief Lambert mit intensiven flächigen Regenfällen ein Ende setzte. Anschließend konnte sich für ein paar Tage ein Mitteleuropahoch etablieren, das für den wärmsten Tag des Monats sorgte, bevor mit einer nordwestlichen bis westlichen Strömung am Monatsende mäßig warme und erneut feuchtere und wolkenreichere Luft mit einzelnen Regenschauern die Regie übernahm.

… und ein Regenbogen am selben Abend

Durch den kräftigen Regen, der vom Nachmittag des 22. an für 24-Stunden-Summen von gut 60 bis knapp 80 Litern pro Quadratmeter im Landkreis sorgte, fiel die Monatsbilanz an den Messstellen zumindest leicht überdurchschnittlich aus. Auch wenn es zu einzelnen Einsätzen der Feuerwehren kam, blieb der Kreis von einer echten Unwetterlage weitgehend verschont. Die kräftigsten Schauer waren gleich zu Beginn der Regenphase am Donnerstagnachmittag aufgetreten, am Freitag verteilte sich der Regen über viele Stunden. Die lange Trockenheit zuvor hatte die Lage allerdings deutlich angespannt, so dass der Landkreis am Tag vor den Regenfällen eine Verfügung erlassen hatte, die die Entnahme zur Gartenbewässerung eingeschränkt. Diese Verfügung ist laut Internetseite des Kreises weiterhin gültig und sollte auch bei „günstigerem“ Witterungsverlauf unbedingt eingehalten werden. Zwar hat der Regen die Situation im Oberboden bis 25 cm erst einmal deutlich verbessert, in den tieferen Schichten wirken jedoch die langen trockenen Wochen zuvor nach – und mit der nächsten sonnigen und heißen Phase steigt auch die Verdunstung in den oberen Schichten wieder an.

An der Klimastation in Bevern brachte der Juni mit 81,0 mm rund 20% mehr als im Mittel der Jahre 1991-2020, in Silberborn fielen 94 mm, ein Plus von 13%. Am meisten kam in Amelith mit 106,1 mm vom Himmel, dort stauen sich bei süd- und südwestlicher Anströmung die Regenwolken gerne am Solling. Hellental meldete 99 mm, Ottenstein 93,3, Vorwohle 87,1, Lüchtringen 84,8, Holzminden 84,4, Polle 83,5 und Hehlen 77,5 mm.

Die Sonne zeigte sich fast jeden Tag und in Summe 288 Stunden lang

Die Sonnenscheindauer lag mit 288 Stunden genau auf dem Niveau des Vorjahres und nur zehn Stunden unter dem Rekordwert von 2019. Das Mittel der Jahre 1991-2020 wurde damit erneut um fast 90 Stunden oder 44% übertroffen. Nur an einem Tag – gleich am Ersten – zeigte sich die Sonne gar nicht am Himmel, die sonnenscheinreichste Phase gab es zwischen dem 9. und 13. mit 14,5 Stunden im Schnitt pro Tag und insgesamt wurden an zehn Tagen des Monats, also einem Drittel, mehr als 14 Stunden erzielt. Ein Blick auf das andere Ende der Skala in der Historie zeigt zum Beispiel nur 110 Stunden im Juni 1991 und von 1987 bis 1990 drei weitere Exemplare mit um die 120 Stunden – Zahlen aus einer offenbar lange vergangenen Zeit. Und der letzte trübe Juni ist mittlerweile ebenso wie die letzte nennenswerte Schafskälte auch bereits elf Jahre her.

Avatar von Unbekannt

Autor: wesersollingwetter

Hobbymeteorologe und Autor des monatlichen Lokalwetterrückblicks im Täglichen Anzeiger Holzminden.

Hinterlasse einen Kommentar