Der letzte hochwinterliche Dezember ist mittlerweile 15 Jahre her – und war auch damals außergewöhnlich
Blickt man dieser Tage aus dem Fenster oder auf die Karten der Wettermodelle, hat sich das mittlerweile übliche Bild eingestellt: Grauer Himmel, grüne und braune Böden, Tagestemperaturen entweder im Niemandsland des einstelligen Plusbereichs oder sogar deutlich zweistellig, vielleicht mal ein leichter Nachtfrost. Auf den Karten zeigt sich aktiver Tiefdruck über dem Nordatlantik sowie ein kräftiges Kontinentalhoch über Russland mit Ausläufern bis ins östliche Mitteleuropa – und wir mittendrin oder besser: Zwischen den Stühlen in einer Pattsituation. Die Tiefs laufen vergeblich gegen den Hochdruckblock an, schwächen sich ab und die Fronten „zerbröseln“ bzw. lösen sich auf. Diese auch als „Frontenfriedhof“ bezeichnete Großwetterlage taucht seit gut zehn Jahren gehäuft im Dezember auf und weist in der Regel eine hohe Erhaltungsneigung auf. Voraus geht – so auch in diesem Jahr – oft ein erster kurzer Wintergruß im Laufe der letzten Novemberdekade. Die Aussichten für eine winterlich anmutende Adventszeit mit Eis und Schnee stehen bis auf weiteres also auch 2025 wieder einmal schlecht – Zeit für einen Blick in die Vergangenheit, genauer 15 Jahre zurück in den Dezember 2010, als einmal wirklich alles ganz anders war.
Dabei soll die Reise in der Wettervergangenheit rund ein Jahr zuvor starten: Das Jahr 2010 begann kalt und brachte eine Abfolge von Wetterlagen, wie sie nur selten vorkommen. Ungewöhnlich war dabei vor allem das nur seltene Auftreten von Westwetterlagen. Unter dem Strich fiel das Jahr auffällig kühl aus – mit einer Mitteltemperatur von 8,36 °C an der DWD-Station in Bevern war es bis heute das kälteste Jahr in der Region seit 1996, also seit nunmehr fast 30 Jahren. Der Winter 2009/2010 war für die heutigen wie auch schon damaligen Verhältnisse ungewöhnlich schneereich, kalt und lang bis in den März gewesen. Der Sommer kam nach einem kühlen und trüben Mai nur schwer und recht spät in Gang, drehte dann für ein paar Wochen voll auf mit einer rekordheißen ersten Julihälfte, bevor die Temperaturen nach und nach zurückgingen und der August durch häufige und ergiebige Niederschläge geprägt war. Der September war eine Kopie des Mais, der November lange sehr mild, bevor sich die Wetterlage in der dritten Novemberdekade auf Winter umstellte – und zwar nachhaltig.
Über dem Atlantik hatte sich ein weit nach Norden reichender Hochdruckkeil bis nach Grönland, Island und Spitzbergen etabliert und blockierte die atlantische Westströmung. Östlich davon befand sich ein breiter Trog über weiten Teilen Europas, in seinem Nordteil und östlich davon setzte sich arktische Luft aus Sibirien westwärts in Bewegung, erreichte zunächst Skandinavien und am Rande eines dort liegenden Bodenhochs nachfolgend Mitteleuropa. Bei uns stellte sich ab dem 27. November bis in die Niederungen Dauerfrost ein und anders als sonst bei frostig-kalten Wetterlagen im Winter, die meist hochdruckgeprägt und trocken verlaufen, mischten diesmal regelmäßig Tiefdruckgebiete mit, die vom Mittelmeer nordwärts zogen und mit viel Feuchte in die zuvor eingeflossene Kaltluft hineinliefen. Sie brachten nach und nach Niederschläge, die bis in tiefe Lagen als Schnee fielen. So gab es bereits am ersten Adventswochenende landkreisweit eine (wenn auch noch dünne) Schneedecke.

Anfang Dezember verstärkte sich die Kaltluftzufuhr und die Höchstwerte lagen vorübergehend unter minus fünf Grad, nachts gab es strengen Frost unter minus zehn Grad. Eine vorübergehende Milderung aus Südwesten konnte sich nur in den südlichen Landesteilen durchsetzen, bei uns löste sie nur eine Frostabschwächung mit erneuten, diesmal ergiebigeren Schnellfällen aus. Bis zum Nikolausmorgen war die Schneedecke an der Station in Bevern auf 18 cm angewachsen, aus dem Solling liegen aus den Jahren zwischen 2008 und 2016 leider keine verfügbaren Aufzeichnungen vor. Doch zu Beginn der zweiten Dekade hatte es die milde Luft dann doch irgendwie geschafft, bis ins südliche Niedersachsen vorzudringen und bereitete der weißen Pracht ein jähes Ende – in weniger als 48 Stunden war zumindest in den Niederungen des Wesertals die Schneebedeckung vollständig verschwunden.

das Bild des Dezembers 2010 in Deutschland – bis in unsere Region schafften es die milden Luftmassen nur einmal kurz vor Monatsmitte
Doch wer dachte, dass der frühe Winter damit sein Pulver verschossen hatte, sah sich getäuscht: Der 12. und 13. Dezember sollten die einzigen Tage des Monats ohne Schneedecke bleiben. Schon im Laufe des 13. setzten mit einer Drehung der Strömung aus Norden, wo die zuvor zurückgedrängte Kaltluft unweit entfernt die Stellung hatte halten können, erneut Schneefall ein und die Temperaturen fielen wieder in den Dauerfrostbereich, wo sie bis kurz vor Weihnachten verharrten. Der Betreuer der DWD-Station in Bevern, Manfred Springer, war täglich mit den per Hand vorgenommenen Schneemessungen sowie der Justierung des Bodentemperaturfühlers beschäftigt, der sich immer in fünf Zentimetern Höhe über dem Boden und im Falle von Schnee fünf Zentimeter über der Schneedecke befinden soll – nur so ist eine aussagekräftige Messung sichergestellt. Und die dort ermittelten Werte hatten es in sich, besonders am 20. und 21.12. mit unter minus 20 Grad.
Doch kam nun, nur wenige Tage vor dem Fest, das sprichwörtliche Weihnachtstauwetter? Erneut versuchte milde Luft aus Südwesten, den Winter nach Norden zurückzudrängen – und scheiterte. Diesmal reichte es nur vorübergehend für wenige Zehntel über dem Gefrierpunkt bei den Höchstwerten in Bevern und einem Verlust von ein paar Zentimetern Schneedecke, im Solling taute bei Dauerfrost ohnehin nichts. Und während der Feiertage kam auch in den Niederungen der Dauerfrost zurück und bescherte dem Landkreis das ungewöhnliche Ereignis einer vollständigen und flächendeckenden weißen Weihnacht – zum ersten Mal seit 1981. Schnee und Frost konnten sich auch noch über den Jahreswechsel halten, bevor ein rabiater Durchgriff von Atlantikluft diesem außergewöhnlich intensiven und langen Winterabschnitt zum Dreikönigstag ein jähes Ende setzte.

In der Bilanz stehen für die Beobachtungsreihe Holzminden/Bevern mit Monatswerten seit 1934 und Tageswerten seit 1951 beeindruckende Zahlen: Mit einer Mitteltemperatur von -3,8 °C war es nach 1940 der zweitkälteste Dezember seit Aufzeichnungsbeginn, mit 29 Schneedeckentagen wurde der bis dahin bestehende Rekord von 23 (1969+1981) deutlich übertroffen. Für den Dezember 1940 liegen aus der Region nur Messungen vom Forsthaus Torfhaus im Solling vor, dort waren es damals volle 31 Schneedeckentage. Daten aus der weiteren Umgebung deuten aber klar darauf hin, dass in den Niederungen die Marke von 29 nicht erreicht wurde, womit der neue Rekord von 2010 wohl ein historischer seit Aufzeichnungsbeginn sein dürfte – der bis heute nicht mehr annähernd erreicht wurde. Nur in den ersten Hälften 2012 und 2022 zeigte sich der Dezember seither noch einmal etwas länger winterlich, in den allermeisten Fällen aber waren zumindest im Wesertal Schnee und Eis die Ausnahme und die Regel eine Wetterlage, wie wir sie in diesen Tagen wieder einmal erleben.

Dass ein solches Extremereignis wie von Ende November 2010 bis in die ersten Januartage 2011 in die Phase der seit Ende der 1980er voranschreitenden Erwärmung gefallen ist, zeigt zweierlei: Schneereiche Dezember mit weißen Weihnachten waren in den tiefen Lagen des Kreises auch früher, zu insgesamt kälteren und winterfreundlicheren Zeiten, nur seltene Ausnahmen. Und die Chancen sind in den letzten Jahrzehnten natürlich nicht besser geworden. Wenn sich aber die Druckgebilde so positionieren wie vor 15 Jahren und dazu auch noch die Vorgeschichte (frühe Ausbildung von Schneeflächen im Norden und Osten Europas) „passt“, dann ist ein hochwinterlicher Dezember auch im Umfeld der fortschreitenden globalen Erwärmung möglich.


