Die Erwärmung schreitet fort: 2023 war das bisher wärmste Jahr

Ein neuer Temperaturrekord und sehr viel Regen prägten das Wetter im Jahr 2023

Nach der Einstellung des Rekords im Jahr 2022 erklomm die Jahresmitteltemperatur zumindest in den tiefer gelegenen Regionen des Landkreises neue Höhen und landete am Ende gleich drei Zehntel über der bisherigen Topmarke von 11,0 °C. Was auf den ersten Blick nach wenig aussehen mag, ist in der Klimatologie durchaus ein ungewöhnlich großer Schritt. Zur Einordnung: Liegt das aktuell gültige 30-Jahres-Mittel der Periode 1991-2020 noch bei 9,9 °C, steht nun zum dritten Mal in den letzten vier Jahren die 11 vor dem Komma. Anders als 2022 blieb die große Sommerhitze aber diesmal aus – und auch in Sachen Trockenheit brachte der Hochsommer die Wende hin zu einer außergewöhnlich nassen zweiten Jahreshälfte, die ihren Höhepunkt in der Hochwasserlage zu Weihnachten fand. Trotz eines sehr trüben vierten Quartals schien die Sonne gut 100 Stunden länger als im Durchschnitt.

Mit einer Jahrestemperatur von 11,32 °C war das Jahr 2023 an der DWD-Station in Bevern so warm wie keines zuvor in der Geschichte der lokalen Messungen, die mittlerweile fast 90 Jahre zurückreichen. Der bisherige Rekord von 11,01 °C aus den Jahren 2020 und 2022 ist also nach sehr kurzer „Amtszeit“ nicht nur bereits wieder Geschichte, er wurde auch deutlich übertroffen. Gegenüber dem Klimamittel der Jahre 1991-2020 ergab sich in Bevern ein Plus von 1,45 K und bezogen auf die frühere Referenzperiode der Jahre 1961-1990, die weiterhin als Maßstab für das Klima in der Zeit vor der globalen Erwärmung gilt, war es sogar um gut 2,5 K wärmer. Einen neuen Monatsrekord gab es im September, und auch die Monate Januar, Juni, Oktober und Dezember fielen sehr mild bzw. warm aus – während lediglich der April sein aktuelles Mittel deutlich verfehlte. Gegenüber dem Klima der Jahre 1961-1990 landeten wie schon 2022 alle Monate im Plus.

Der absolute Höchstwert von 34,6 °C, erzielt am 9. Juli an der Beveraner Station, fiel im Vergleich zum Vorjahr mit seinem neuen Allzeitrekord von 38,7 °C recht moderat aus, auch die Zahl der heißen Tage lag mit zwölf etwa im Durchschnitt. Auffällig waren hingegen 137 warme Tage mit einem Höchstwert von mindestens 20 Grad (davon schaffte nur 2018 noch mehr) und die fast vollständige Abwesenheit nennenswerter Kälte. Zwar blieb die Zahl der Frosttage in Bevern mit 50 klar über dem frostärmsten Jahr 1974 (lediglich 26), lag aber um 20 Tage unter dem aktuellen Mittel. Auch bei der absoluten Tiefsttemperatur von -6,7 °C und der Kältesumme von 17,0 K liegt 2023 am sehr milden Rand der Verteilung. Immerhin sorgte der Frühwintereinbruch Anfang Dezember für die einzigen beiden Dauerfrosttage des Jahres.

An der Wetterstation in Silberborn auf 428 m blieb ein neuer Temperaturrekord hingegen aus – hier lag der Jahreswert 2023 mit 9,12 °C ein Stück unter der im Vorjahr erreichten neuen Höchstmarke von 9,26 °C. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Verteilung der Wetterlagen in den vergangenen beiden Jahren: War 2022 überwiegend und besonders von Mai bis November hochdruckgeprägt, hatten 2023 und da vor allem in der zweiten Jahreshälfte Tiefs die Oberhand. Am ausgeprägtesten war dies im letzten Quartal, also in der Zeit, in der sich bei Hochdruckwetter häufig Inversionen ausbilden, die die Temperaturunterschiede zwischen höheren und tieferen Lagen verwischen und vorübergehend sogar umkehren können. Tiefs sorgen stattdessen für eine gute vertikale Durchmischung der Luftmassen und dafür, dass die sich Höhendifferenz (konkret sind es 318 m zwischen beiden Stationen) auch im sogenannten Temperaturgradienten ausgeprägt abbildet. So betrug der Unterschied zwischen den Jahrestemperaturen in Bevern und Silberborn 2022 nur 1,74 K, 2023 hingegen 2,2 K, also fast ein halbes Grad mehr.

Am wärmsten wurde es an der Hochsolling-Station ebenfalls am 9. Juli mit 30,5 °C, zugleich der einzige heiße Tag des Jahres – 2022 waren es noch sechs gewesen. Frost gab es an 76 Tagen, das Jahresminimum wurde am 1.12. erzielt und fiel mit -7,3 °C für eine Mittelgebirgslage sehr bescheiden aus.

Ein kurzer Streifzug durch das Wetterjahr beginnt mit einem sehr milden Winter fast ohne Schnee und nur gelegentlich leichtem Frost – dieser Satz stand so bereits im Vorjahresrückblick und kann für 2023 einfach übernommen werden, jedenfalls für die Niederungen. In Silberborn lag immerhin in der zweiten Januarhälfte meist eine (wenn auch nicht allzu hohe) Schneedecke. Der Februar hatte in Sachen Schnee oben wie unten nichts zu bieten, während es Anfang März noch einmal zu einem kurzen, aber zumindest im Solling kräftigen Spätwintergruß kam, der dort noch einmal für bis zu 17 cm Schnee sorgte. Das anschließende Frühjahr blieb verhalten temperiert und verfehlte sogar geringfügig das Mittel der Jahre 1991-2020 im Solling bzw. erreichte dies in Bevern genau auf den Punkt. Vor allem April und die erste Maihälfte hinterließen einen eher kühlen Eindruck.

Ende Mai vollzog sich die Wende zu einem weitgehend stabilen, sehr warmen und vor allem ausgesprochen sonnigen Witterungsabschnitt, der gut einen Monat andauerte, bevor der Hochsommer einen wechselhaften, moderat temperierten und zunehmend regenreichen Verlauf nahm. Die erste Sommerhälfte war sogar die wärmste seit Aufzeichnungsbeginn, die Phase von Mitte Juli bis Ende der ersten Augustdekade blieb dann aber sogar etwas unterdurchschnittlich temperiert, bevor sich von Süden aus dem Mittelmeerraum nochmal heiße und feuchte Luft auf den Weg machte, die unsere Region aber nur vorübergehend und abgeschwächt in der zweiten Augustdekade erreichte.

Einem sehr sonnigen, trockenen und in den Niederungen rekordwarmen September folgte das bereits angesprochene sehr nasse vierte Quartal inklusive eines Frühwintereinbruchs Ende November, der einen neuen Herbstrekord verhinderte und der Region einen für diese Zeit im Jahr ungewöhnlich gewordenen Abschnitt mit mehreren Schneedeckentagen bis in die Niederungen bescherte, bevor eine deutliche Milderung den Winter auch im Solling rasch vertrieb und er bis Jahresende nicht mehr gesichtet wurde.

Die regelmäßigen und ergiebigen Niederschläge des zweiten Halbjahres sorgten in der Region für das nasseste Jahr seit 2007. Ein weiterer trockenheißer Sommer, da sind sich die Experten einig, hätte für weitere große Schäden in den Wäldern gesorgt. Aus dieser Sicht kam der Umschwung im Juli gerade noch rechtzeitig und legte eine erste Reserve für den September in die höheren Bodenschichten, bevor der viele Regen ab Oktober dafür sorgte, dass mehr und mehr auch die tieferen Schichten und der Grundwasserspiegel aufgefüllt wurden. Im Laufe des Dezembers, der im Solling teils rekordnass ausfiel, wurde es dann allerdings zu viel des Guten mit einer Hochwasserlage im Umfeld der Weser und sehr nassen und aufgeweichten Böden auch im Solling. Diese könnten vor allem der flach wurzelnden Fichte im Falle einer Sturmlage wie 2018 keinen Halt mehr bieten. Zum Glück sieht es aber derzeit nicht danach aus, dass sich eine solche Wetterlage in diesem Januar wiederholen könnte.

Die Jahressummen erreichten 1006 mm in Bevern, ein Plus von 27% oder rund 210 mm gegenüber dem Mittel der Jahre 1991-2020, zugleich der erste vierstellige Wert dort seit 2007. Zwischen 2007 und 2023 war nur ein Jahr – 2017 – überdurchschnittlich nass ausgefallen, aber viele deutlich zu trocken. In Silberborn wurden 1272 mm gemessen, ein Plus von 21% zum aktuellen Klimamittel. Noch etwas mehr holte der Beobachter in Hellental aus dem Messbecher, die 2018 in Betrieb genommene konventionelle Niederschlagsstation des DWD stellte mit 1289,8 mm den Spitzenreiter in der Region. Die geringste Jahressumme fiel mit 968,2 mm in Lüchtringen.

Beim Sonnenschein ragte die knapp fünfwöchige Zeit vom 26. Mai bis Ende Juni mit einer Summe von 362 Stunden – fast 11 im Schnitt pro Tag – heraus. Sonnigster Monat war der Juni mit fast 290 Stunden, auch Mai und September landeten deutlich über ihren Mittelwerten. Klar unterdurchschnittlich präsentierten sich neben den ohnehin sehr dunklen Monaten Januar, November und Dezember diesmal auch Oktober und März. Die Jahressumme betrug ca. 1622 Stunden, das waren einerseits glatte 300 weniger als noch 2022, aber immer noch gut 100 mehr als im Mittel der Jahre 1991-2020. Mehr als klimatisch und astronomisch bedingt üblich sorgte dabei das Sommerhalbjahr von April bis September mit 1320 Stunden für den Löwenanteil beim Sonnenschein, die anderen sechs Monate brachten es zusammen nur auf gut 300 Stunden.

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Autor: wesersollingwetter

Hobbymeteorologe und Autor des monatlichen Lokalwetterrückblicks im Täglichen Anzeiger Holzminden.

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