Jahresrückblick für die DWD-Station Bevern und die Region Holzminden
So oft wie wohl noch nie zuvor wurde im vergangenen Jahr in der Lokalzeitung Täglicher Anzeiger Holzminden über das Wettergeschehen vor Ort berichtet – immer wieder gab es außergewöhnliche Ereignisse und neue Rekorde zu vermelden, am Ende vermutlich mehr davon, als es so manchem Menschen und vor allem der Natur lieb gewesen sein dürfte. Das Wetterjahr 2018 geht bundesweit wie regional als das bisher wärmste seit Aufzeichnungsbeginn in die Geschichte ein, dazu war eines der sonnigsten und sehr niederschlagsarm, wobei die Trockenheit im Kreis zwischenzeitlich extreme Ausmaße angenommen hatte. Erst der Dezember brachte mit ergiebigen Regenfällen eine erste Linderung. Mit einer Mitteltemperatur von 10,97 °C wurde der bisherige Rekord aus dem Jahr 2014 an der DWD-Station in Bevern um genau ein Zehntelgrad übertroffen, dazu fielen nicht einmal 500 mm Niederschlag und die Sonne schien fast 1.900 Stunden lang – gleichbedeutend mit dem zweittrockensten und drittsonnigsten Jahr seit Messbeginn.
Dabei hatte es im Januar noch ganz anders begonnen: Hochwasser und ein erstes Sturmtief namens Burglind prägten die ersten Tage des noch jungen Jahres. Dazu war es oft sehr mild, bevor nach Monatsmitte kältere Luftmassen zumindest in den höheren Lagen des Sollings für eine vorübergehende Schneedecke sorgten, die am 21. sogar auf bis zu 40 cm am westlichen Ortsrand von Silberborn anwuchs – um dann binnen 72 Stunden komplett abzutauen. Die durchaus beeindruckende Schneelandschaft am dritten Januarwochenende blieb jedoch so manchem verborgen, da viele Wege und Straßen im Solling gesperrt waren – eine Folge des Orkans Friederike, der am Donnerstag zuvor zwar nur recht kurz, dafür aber besonders heftig gewütet hatte. Mit Böen in voller Orkanstärke fegte er über die Sollingwälder hinweg und machte dort nach der endgültigen Schadensbilanz, die erst Monate später gezogen werden konnte, sogar mehr Kleinholz als Kyrill genau elf Jahre zuvor. Eine der Ursachen dafür liegt nicht im Sturm selbst, sondern ist eine Langzeitfolge der äußerst regenreichen Witterung seit dem Frühsommer 2017: Die Wurzeln der Bäume fanden kaum noch Halt in den aufgeweichten Böden und hatten dem Orkan somit nichts entgegenzusetzen.
Während im Solling die Aufräumarbeiten noch lange andauern sollten, stellte sich die Wetterlage im Februar langsam auf winterlich um, es wurde kälter und endlich kam auch die lange als vermisst geltende Sonne wieder zum Vorschein. Die Niederschläge nahmen unter Hochdruckeinfluss ab, doch statt Vorfrühling, wie man ihn zu dieser Jahreszeit häufig schon antrifft, zeigte der Winter Ausdauer: Die Schneedecke im Solling hielt 31 Tage von Anfang Februar bis Anfang März durch, wobei sich die Kälte zum Monatsende deutlich verschärfte und für neue negative Tagesrekorde zum Monatswechsel sorgte: So wurden am 28. in Bevern nur -6,5 Grad gemessen – als Höchstwert wohlgemerkt – und die vorausgegangene Nacht war mit -14,4 °C die kälteste des Jahres. Infolge der Eisluft aus Russland, die sich in Verbindung mit einem schneidenden Nordostwind noch einmal deutlich kälter anfühlte, bildete sich sogar Treibeis auf der Oberweser – ein mittlerweile seltenes Ereignis, das leise Erinnerungen an Zeiten weckte, als die Weser sogar komplett zugefroren war.
Auf eine deutliche Milderung im Laufe der ersten Märzdekade folgte ein weiterer Spätwintereinbruch ab Monatsmitte, der noch einmal Dauerfrost und Schnee bis in die Niederungen brachte, doch für nachhaltiges Winterwetter war die Jahreszeit mittlerweile zu weit fortgeschritten. Dennoch bilanziere der März ebenso wie der Februar deutlich kälter als im langjährigen Mittel der Jahre 1981-2010, womit der Temperaturüberschuss aus dem Januar längst aufgezehrt war. Das erste Quartal brachte sogar eine negative Temperaturabweichung – wer wäre zu diesem Zeitpunkt auf die Idee gekommen, dass 2018 einen neuen Jahresrekord aufstellen würde?
Dass es tatsächlich so kam, hatte entscheidend mit dem wärmsten Sommerhalbjahr seit Aufzeichnungsbeginn zu tun. Und das begann mit zwei rekordwarmen Frühjahrsmonaten im April und im Mai, wobei das Frühjahr sowohl von der Witterung als auch phänologisch ein sehr kurzes war: hatte die Vegetation aufgrund der Spätwinterkälte erst verzögert begonnen, holte sie nun mit Riesenschritten auf und war mit Beginn der Apfelblüte ihrer Zeit sogar schon voraus – das Wort vom „Turbofrühling“ machte die Runde. Im Laufe der nächsten Monate sollten mit „Heißzeit“ und „Endless summer“ weitere Wortschöpfungen hinzukommen, die das vorherrschende Wetter kurz und knapp auf den Punkt brachten. Doch ganz so weit waren wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, zumal nach den letzten sehr warmen und sonnigen Frühjahren eher mäßige Sommer gefolgt waren. Rückblickend markiert aber in der Tat bereits der 7. April den Beginn des Sommers 2018: Gegenüber dem Vortag schnellten die Temperaturen um rund neun Grad nach oben und mit 23 Grad wurde der erste warme Tag des Jahres in Bevern registriert – 147 weitere sollten folgen und für einen neuen Rekord in der Kategorie Tage mit mindestens 20 Grad Höchsttemperatur sorgen. Silberborn folgte einen Tag später, als in Bevern der erste meteorologische Sommertag nur knapp verfehlt wurde. Zehn Tage später fiel auch die 25-Grad-Marke erstmals – 83 weitere Sommertage sollten folgen und auch in dieser Statistik für einen deutlichen neuen Rekord sorgen. Trockenheit spielte zu diesem Zeitpunkt übrigens noch keine große Rolle, waren doch nach dem vielen Regen von Juni bis Januar genügend Vorräte vorhanden und März und April in Summe nur etwas trockener als im Mittel. In Erinnerung blieb der Dauerregen am Freitag, den 13. April mit 26,8 mm an der Station in Bevern – eine Tagessumme, die bis Jahresende nicht mehr annähernd erreicht werden sollte.
Der anschließende Mai tilgte bei der Monatstemperatur mit 16,44 °C seine uralte Bestmarke aus dem Jahr 1889 und kam als fast vollwertiger Sommermonat daher – so mancher Juli der Vergangenheit hat einen niedrigeren Wert aufzuweisen. Zum Monatsende gab es die ersten heißen Tage in Bevern, dazu schien die Sonne rund 276 Stunden lang, was aber ausnahmsweise keinen Rekord darstellt – im Mai 1989 waren es über 300 gewesen. In diesen in unserer Region äußerst seltenen Bereich sollte erst der Juli vorstoßen, doch zunächst dämpfte der Juni die Sommerlaune mit einer längeren Phase, in der sich die Sonne nur wenig zeigen konnte. Doch anders als im Vorjahr lief der Hochsommer mit Beginn der Schulferien Ende Juni zu großer Form auf: mehrere wolkenlose Tage am Stück zum Monatswechsel läuteten einen außergewöhnlich sonnigen und im Verlauf auch heißen Juli ein. Blieb es in der ersten Hälfte meist bei moderater Wärme, gab es ab Monatsmitte nur noch wenige Tage, an denen die Höchstwerte in Bevern unter 30 Grad lagen. Diese intensive und ausdauernde Hitzewelle brachte ab 23.07. an 17 von 18 Tagen mehr als 30 Grad im Wesertal, der Höhepunkt wurde am 7. August mit 37,0 Grad erreicht. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein neuer Rekord an Hitzetagen aufgestellt worden, doch weitere sollten folgen, auch wenn der Sommer mit Ende der ersten Augustdekade einen Gang hinunterschaltete. In der Jahresbilanz finden sich schließlich 33 heiße Tage, der letzte am 18. September, so spät wie nie zuvor. Bei der Mitteltemperatur landete der Sommer 2018 hauchdünn hinter 2003 – damals noch als Jahrhundertsommer eingestuft – auf Platz 2.
Die Folgen der langen Trockenheit – nie zuvor hatte es in den drei Sommermonaten so wenig geregnet – wurden nun mehr und mehr sichtbar. Auf den Feldern, die bereits bis auf den Mais Mitte Juli weitgehend abgeerntet waren, an Sträuchern und Laubbäumnen, die bereits an Herbst erinnerten und etwas abseits des öffentlichen Lebens auch in den Wäldern des Sollings, wo mittlerweile der Borkenkäfer dem durch Sturm vorbelasteten Nadelwald kräftig zusetzte. „Das Waldsterben ist zurück“ hieß es dann auch in einem TAH-Bericht im Herbst.
Der meteorologische Herbst von September bis November verschärfte die Lage weiter, auch diese drei Monate wiesen ein deutliches Niederschlagsdefizit aufgrund vorherrschender Hochdrucklagen auf. Und der Sommer gab sich noch lange nicht geschlagen, diverse Abschiedsgrüße erwiesen sich wiederholt als verfrüht, bis Mitte Oktober hielt der „Endlossommer“ noch durch. Erst am 15.10. wurde der letzte Tag über 25 Grad registriert – auch das so spät wie nie zuvor im Jahr – und zwei Tage später auch letztmals die 20-Grad-Marke überschritten. Doch trotz jeweils deutlich kühlerer Abschnitte in den letzten Monatsdekaden von September und Oktober lautete auch die Bilanz der ersten Novemberhälfte: sonnig und deutlich wärmer als üblich. Erst im Laufe des dritten Wochenendes vollzog sich eine markante und nachhaltige Umstellung: Die Temperaturen sanken auf jahreszeitübliche Werte, vorübergehend auch darunter inklusive der ersten Schneefälle, vor allem aber wurden Sonnenschein und Trockenheit abgelöst durch dichtes Gewölk und mit etwas Verzögerung ab Anfang Dezember auch endlich durch den dringend benötigten Regen, der nach und nach für eine Entspannung der Dürresituation sorgte, allerdings vorerst nur in den oberen Bodenschichten. Die Trockenheits- und Sonnenscheinrekorde des Jahres 1959 blieben somit unangetastet, während es mit den Temperaturen Anfang Dezember wieder aufwärts ging und der neue Jahresrekord schließlich nur noch Formsache war.
Was bleibt neben vielen erreichten und einigen nur knapp verpassten Rekorden? In dieser Häufung und Ausprägung dürfte 2018 ein Ausnahmejahr bleiben, gerade zusammen mit dem vorausgegangenen sehr nassen zweiten Halbjahr 2017 hat sich eine Wetterlagenabfolge abgespielt, deren Wiederholung äußerst unwahrscheinlich ist. Aber Klimaforscher warnen nicht erst seit diesem Jahr vor der Zunahme extremer Wettereignisse und das abgelaufene Jahr hat uns gezeigt, dass der Klimawandel keine ferne Zukunftsvision ist, sondern längst in der Gegenwart angekommen ist – auch in unserer Region.
Sehr ausführlicher Rückblick, gefällt mir sehr gut 🙂
Auch immer wieder spannend wie groß der Unterschied zwischen deinen Stationen ist. Im Hochsolling oft schon komplett andere Welt.
LikeLike