Als Wintermonat ein Totalausfall

Rückblick auf den Januar 2020 an der DWD-Station Bevern

Auch der zweite meteorologische Wintermonat fand nur auf dem Papier statt: Bis auf einige leichte Nachtfröste erinnerte der Januar deutlich mehr an Herbst als an Hochwinter – und ein paar Farbtupfer deuteten sogar bereits in Richtung Vorfrühling. In geschützten Lagen gab es zum Monatsende die ersten frischen Blüten zu entdecken, und wer wusste, wo er suchen musste, fand zart violette Krokusse ebenso wie weiße Schneeglöckchen. Unterdessen warteten die Winterfans in der Region weiterhin vergeblich auf das echte „weiße Gold“. Nüchtern zusammengefasst lautet die Bilanz: Deutlich zu warm, deutlich zu trocken und Durchschnittskost beim Sonnenschein.

Mit einer Mitteltemperatur von 4,35 °C war der Januar 2020 an der DWD-Station in Bevern um 3,05 Grad wärmer als im Mittel der Jahre 1981-2010. Gegenüber dem in diesem Jahr letztmals gültigen WMO-Referenzmittel der Periode 1961-1990, mittlerweile auch gern als „altes Klima“ bezeichnet, betrug die Abweichung sogar +3,9 Grad bzw. Kelvin. Ab 2021 gilt ein neues Referenzmittel, dann werden die Jahre 1991-2020 zum Vergleich herangezogen, was aber nichts mit dem Klimawandel zu tun hat, sondern den turnusgemäßen Wechsel nach 30 Jahren darstellt. Die neuen Werte kann man bereits in diesem Jahr nach und nach ausrechnen, für den Januar ergibt sich ein neues Klimamittel von 1,85 °C für den Standort Bevern, was einer Erwärmung von 1,4 °C in den vergangenen 30 Jahren entspricht. Und selbst dieser Wert wurde vom aktuellen Januar noch um glatt 2,5 Grad übertroffen – auch im Kontext unseres gegenwärtigen Klimas war er also deutlich überdurchschnittlich temperiert. Insgesamt war es der achtwärmste Januar seit Messbeginn in Holzminden im Juni 1934.

Dennoch wird die Frage, ob dieser Januar als direkte Auswirkung des Klimawandels einzustufen ist, kontrovers diskutiert. Der Einwand: Eine Häufung vergleichbarer Großwetterlagen habe auch vor 50 oder 100 Jahren einen ähnlich hohes Temperaturniveau mit sich gebracht. Dieser Feststellung kann zunächst kaum widersprochen werden, die dahinterstehende Frage lautet allerdings: werden durch den Klimawandel einzelne Wetterlagen häufiger und andere seltener? Auswertungen dazu ergeben bisher kein klares Bild.

Der Januar 2020 war jedenfalls geprägt von einem äußerst intakten Kältepol der Nordhemisphäre im Gebiet Ostkanada/Grönland, der für eine rege Tiefdruckproduktion auf dem nördlichen Ostatlantik sorgte. Dabei befand sich die Frontalzone, die kalte Luftmassen im Norden von subtropischen im Süden trennt, oft recht weit nördlich, so dass uns Tiefausläufer meist nur abgeschwächt erreichten oder nördlich vorbeizogen. Vor allem im Süden des Landes war es deshalb oft sonnig, gerade auf den Bergen.  Bei uns wechselten sich meist West- und Südwestlagen ab, die kältesten Phasen brachten Hochdruckbrückenlagen zu Jahresanfang und zu Beginn der dritten Dekade mit Nachtfrösten und mal sonnigen, mal durch Hochnebel trüben Tagen. Durch mangelnde vertikale Durchmischung kühlt die Grundschicht dann aus und die Luftqualität nimmt ab, der Schadstoffgehalt steigt. Mit dem erneuten Durchbruch der atlantischen Frontalzone wurde es zum Monatsende wieder deutlich milder, am 31. gab es sogar neue Tagesrekorde bei den Höchst- und Tagesmittelwerten.

Aufgrund der oft nördlich verlaufenden Zugbahn der Tiefdruckgebiete blieb die Niederschlagsbilanz deutlich hinter den Durchschnittswerten zurück: In Bevern fielen mit 40,8 mm nur gut 50% vom Mittel der Jahre 1981-2010. Damit beläuft sich das Defizit der letzten drei Monate mittlerweile auf rund 70 mm im Wesertal. Da die tieferen Schichten der Böden nach wie vor unterversorgt sind, bleibt die Lage latent kritisch. Wichtig ist der Verlauf der nächsten Monate, wenn der Regenbedarf der Natur wegen des Vegetationsfortschritts ansteigt.

Das, was vom Himmel fiel, war fast ausschließlich flüssiger Natur. Kaum oder gar kein Schnee im Januar – das ist im Wesertal gar nicht mal so selten: Seit 1951 liegen Tageswerte für die Schneehöhe vor und der aktuelle Januar war immerhin der neunte, in dem kein Schnee gemessen werden konnte. Zusammen mit 2018 und 2019 mit jeweils zwei Schneedeckentagen ergibt sich zudem eine sehr niedrige Dreijahresbilanz, davor wurden 2017 immerhin sieben und 2016 sogar elf Tage registriert. Die bisher kargste Phase gab es zwischen 1988 und 1995, als in acht Jahren in Summe nur 13 Tage mit Schnee im Januar in der Klimareihe Holzminden/Bevern auftauchten (Daten wegen der Messlücke ab 1992 aus Boffzen, Stahle, Lüchtringen und Negenborn ergänzt). Auch Mitte der 1970er Jahre gab es mehrere schneearme und -lose Januarmonate.

Bleibt noch der Blick auf den Sonnenschein: Mit gut 42 Stunden schien sie in der Region fast so lange wie im langjährigen Durchschnitt, der sich freilich auf sehr niedrigem Niveau bewegt.  Nur wenige Tage brachten längeren Sonnenschein von mehreren Stunden, diese allerdings boten aufgrund des noch sehr niedrigen Einfallswinkels der Sonnenstrahlen sehr fotogene Licht-Schatten-Spiele.

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Autor: wesersollingwetter

Hobbymeteorologe und Autor des monatlichen Lokalwetterrückblicks im Täglichen Anzeiger Holzminden.

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