Rückblick auf den Februar und Winter 2020 an der MeteoGroup-Unwetterreferenzstation Silberborn
Während es im Oberwesertal für mehrere Vizetitel in der Februar- und Winterbilanz reichte, gab es im Hochsolling sogar neue Rekorde – bei vergleichbar langer Messreihe. Der Februar verlief dabei nicht ganz so weit am oberen Rand der Zeitreihe wie in Bevern/Holzminden, er liefert ein gutes Beispiel für die Unterschiede des lokalen Klimas zwischen Wesertal und Solling – der meteorologische Winter hingegen stellte den Temperaturrekord von 2007 ein und setzte sogar neue Spitzenwerte bei Kältesumme und Schneedeckentagen – natürlich jeweils auf der unwinterlichen Seite.
Die Mitteltemperatur betrug im Februar 2020 in Silberborn 3,6 °C und lag damit 3,8 K über dem Mittel der Jahre 1981-2010. Trotz dieser deutlichen positiven Abweichung reichte es „nur“ zu einem mit 1961 geteilten Platz 5 in der Zeitreihe: Weit vorn bleibt der Februar 1990 mit 4,7 °C, aber auch in den Jahren 1998, 2002 und – man staune – 2019 war es ein bis zwei Zehntel wärmer. An den jüngsten beiden Vertretern lässt sich exemplarisch zeigen, dass zwischen der Kreisstadt und dem höchstgelegenen Stadtteil nicht nur 300 bis fast 400 m liegen, sondern bei manchen Wetterlagen noch deutlichere Unterschiede zu Tage treten, als es diese Höhendifferenz allein vermuten ließe.
Im Jahr 2019 war der Februar vor allem ab Monatsmitte von einer höhenwarmen Hochdrucklage geprägt. Es dominierte die Großwetterlage Hoch Mitteleuropa mit ungewöhnlich hohen Temperaturen tagsüber, die dank sehr milder Luftmassen in der mittleren Troposphäre und der sich zunehmend kräftigenden Sonneneinstrahlung mehrere neue Tagesrekorde bedeuteten. Nachts hingegen konnte die bodennahe Luftschicht aufgrund der windschwachen Lage deutlich auskühlen, dieser Effekt war im inversionsanfälligen Wesertal deutlich stärker ausgeprägt. Man sieht dies sehr schön an den mittleren Höchst- und Tiefstwerten: Während das durchschnittliche Maximum in Bevern 10,2 °C und in Silberborn 7,7 °C betrug, lag der Schnitt des Minimums in Bevern bei 0,0 °C und in Silberborn bei +0,3 °C – es war also nachts und am frühen Morgen oben wärmer bzw. weniger kalt als unten. Insgesamt war es in Bevern mit 4,6 °C Monatsmitteltemperatur lediglich der zwölftwärmste Februar (mittlerweile Rang 13) seit Messbeginn im Juni 1934, in Silberborn mit 3,8 °C dagegen der drittwärmste der Hochsolling-Messreihe seit 1936, der Unterschied zwischen beiden Stationen betrug also gerade einmal 0,8 K bei der Monatstemperatur – bei einer Höhendifferenz von 318 m.
Eine gänzlich andere Wetterlage prägte den Februar 2020. Wie bereits im Rückblick auf das Wetter im Raum Holzminden/Bevern Der zweitwärmste Februar im zweitwärmsten Winter war stürmisch und sehr nass erläutert, handelte es sich von einer kurzen Hochdruckphase nach Monatsbeginn abgesehen um die bisher persistenteste zyklonale Westlage (abgekürzt Wz), die in einem Februar beobachtet werden konnte und die auch heute am Ende der ersten Märzwoche noch anhält. Die mit dieser Wetterlage verbundene hohe Durchmischung der Luftmasse sorgte für eine Monatsmitteltemperatur von 6,2 °C an der Station Bevern, weil das Thema Inversion in diesem Monat keines war. Bei einer solchen Wetterlage ist der Temperaturgradient stark ausgeprägt, an der Station Silberborn war es deshalb 2,6 K kälter, der Unterschied beim durchschnittlichen Maximum betrug 3,0 K (9,0 zu 6,0 °C), beim Minimum immerhin noch 1,7 K (2,9 zu 1,2 °C) – im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der durchschnittliche Tiefstwert in Bevern also 2,9 K höher, in Silberborn dagegen nur 0,9 K.
Auch beim Niederschlag sortiert sich der Februar 2020 an der Silberborner Station auf Rang fünf ein – 156,7 mm fielen an 23 Niederschlagstagen, am meisten am 23.02. mit 21,4 mm. Noch nasser war es in den Jahren 1946, 2002, 1937 und 1950, im Jahr 1958 fiel fast genausoviel. Dieser Niederschlag war lange Zeit ganz überwiegend flüssig, Schnee oder Graupel mischte sich nur kurzzeitig unter, ohne für eine Schneedecke sorgen zu können. Anders dann an den letzten Tagen des meteorologischen Winters: Ab dem 26.02. war die Meeresluft polaren Ursprungs kalt genug, um (teils in Verbindung mit Niederschlagsabkühlung) für „echten“ Schnee zu sorgen, der dann auch liegen blieb – am Morgen des 27. betrug der offizielle Messwert an der Station 11 cm, am 28. noch 10 cm, an anderen Stellen des Ortes bis zu 15 cm.
Allerdings handelte es sich um aus Wintersportsicht minderwertigen Nassschnee, so dass Schlitten und Ski weiterhin im Keller bleiben mussten. Immerhin konnte sogar die Schneehöhe des vergangenen Winters übertroffen werden, die bei zehn Zentimetern gelegen hatte und erst im meteorologischen Frühjahr im März aufgetreten war, zuvor ging es nicht über acht Zentimeter. Doch bevor ein falscher Eindruck entsteht: die gerade vier Schneedeckentage am Monatsende ändern kaum etwas an der ernüchternden Bilanz, die einen der schneeärmsten Februare der Messreihe ausweist. Und mit dem einsetzenden Tauwetter am Monatsende war dieses Wintermezzo im Solling dann auch schnell wieder Geschichte.
Dies gilt umso mehr für den Gesamtwinter, nachdem der Dezember fast und der Januar komplett ohne Schneedeckentag geblieben waren: Mit ganzen sechs Tagen setzt sich der Winter 2020 im Hochsolling an die Spitze der schneeärmsten Winter seit Aufzeichnungsbeginn. Auch bei der Kältesumme wurde lokale Wettergeschichte geschrieben: Sie lag mit ganzen 12,6 K so niedrig wie noch nie.
Ein Wimpernschlagfinale gab es bei der Wintermitteltemperatur, die wie im Rekordwinter 2007 3,0 °C betrug. Zieht man die Hundertstel hinzu, bleiben beide Winter mit 2,98 °C auf Augenhöhe. Dabei gilt zu beachten: Vor 13 Jahren wurde auf einem gut zehn Meter höher gelegenen Standort mit manuellen Instrumenten in einer englischen Hütte gemessen, so dass keine ganz identischen Bedingungen vorliegen. Auch die Ablesezeiten für die Errechnung des Tagesmittels waren damals andere als heute, es gibt bei beiden Messinstrumenten Fehlertoleranzen und zu guter Letzt hatte der aktuelle Winter noch den Vorteil des milden Schalttages am Ende – ein Streit um den wärmsten Winter im Hochsolling würde deshalb eher philosophischer Natur sein und soll daher an dieser Stelle sogleich salomonisch mit dem Schiedsspruch „Unentschieden“ wieder beigelegt werden.
Während in Bevern also der Rekord von 2007 um deutliche 0,6 K verfehlt wurde, schaffte Silberborn die Einstellung des Rekordwerts von vor 13 Jahren – und das trotz des dort gar nicht mal so mild ausgefallenen Februars (siehe oben)? Was zunächst nach Widerspruch klingt, klärt sich beim Blick auf die anderen beiden Wintermonate: Vor allem im Dezember 2019, aber auch über Teile des Januars 2020 profitierte Silberborn von weniger gut durchmischten Hochdrucklagen, die Temperaturdifferenz zu Bevern betrug daher im Dezember nur knapp 1,4 K und im Januar 1,9 K. Erst im Februar war das Delta in der kräftigen Westströmung stark ausgeprägt. Anders herum betrachtet: Der insgesamt stärker zyklonal geprägte Winter 2006/2007 sorgte dafür, dass in Silberborn der neue Rekord vor 13 Jahren bezogen auf den lokalen Mittelwert nicht so hoch ausfiel wie im Wesertal, das damals üblicherweise verwendete Klimamittel der Periode 1961-1990 wurde „nur“ um knapp 3,8 K übertroffen, während es in Bevern über 4,3 K waren. Mit anderen Worten: Der Winter 2007 hatte die Latte in Silberborn nicht so hoch gelegt wie in tieferen Lagen.
Weit weg von Rekorden, aber dank des sehr nassen Februars immerhin ganz leicht über dem langjährigen Mittelwert der Periode 1981-2010 lag die Niederschlagssumme von 309,2 mm – doch ein Blick auf das Vorjahr zeigt, dass das Thema Trockenheit damit längst nicht abgehakt sein muss: Der Winter 2019 hatte sogar 352,1 mm gebracht, ohne dass dies den geschädigten Wäldern wirklich helfen konnte – wichtiger für dessen Zustandsentwicklung wird sein, wie die Regenmengen und ihre Verteilung in der Vegetationszeit im Frühjahr und Sommer ausfällt und wie stark der Verlust durch Wärme bzw. Hitze und Sonnenschein sein wird.