Die Geschichte vom Mai, der ein April sein wollte

Der „Wonnemonat“ 2021 war kühl, nass, windig und trüb / Kältestes Frühjahr seit 2013

Fotos von Annette Mokross

Nach dem ungewöhnlich kalten April führte auch der Mai keine Trendwende beim Frühjahrswetter mehr herbei. Stattdessen geht der gerne als Wonnemonat bezeichnete dritte und letzte Monat des meteorologischen Frühlings als kühl und sonnenscheinarm in die lokale Klimareihe ein. Im Zusammenspiel mit häufigen Schauern in höhenkalter Luft erinnerte der Mai 2021 nicht nur bei den Messwerten an einen verspäteten oder verlängerten April – oder an ein Frühjahr „alter Schule“, wie man sie häufiger bis zum Ende der 1980er Jahre erleben konnte. Auch optisch herrschte oft typisches „Aprilwetter“. In den letzten Jahren hatte es hingegen viele sonnige und trockene Verläufe im Frühling gegeben – zur Freude vieler Menschen, aber leider auch mit negativen Folgen für die unter den Niederschlagsdefiziten leidende Natur. Auch davon grenzte sich der diesjährige Mai deutlich ab und sorgte für reichlich Regen in der Region, wobei aufgrund lokal begrenzter Schauer die Stationssummen recht unterschiedlich ausfielen. Zu trocken blieb es aber an keinem Standort.

Mit einer Monatstemperatur von 11,53 °C war der Mai 2021 an der DWD-Station in Bevern um glatt 2,0 Kelvin kälter als das Mittel der aktuellen Klimanorm von 1991-2020. Nach dem Wärmerekord im Jahr 2018 war es der dritte Mai in Folge, in dem sogar das Klimamittel der älteren und weniger warmen Periode von 1961-1990 verfehlt wurde. Drei so kühle Maie nacheinander – eine solche Serie besitzt Seltenheitswert, ist doch die letzte von 1961-1963 fast 60 Jahre her. Bezogen auf die letzten 30 Jahre war es sogar zusammen mit 2019 und 1996 der zweitkälteste Mai hinter 2010, als nur 10,7 °C gemessen wurden. Noch kälter war es zuvor im Mai 1991 mit nur knapp über zehn Grad, auf den dann noch ein ausgesprochen kühler Juni folgte. So weit dürfte es aber in diesem Jahr nicht kommen, wie die ersten Tage des meteorologischen Sommers bereits gezeigt haben.

Wie schon im April war nicht nur die niedrige Durchschnittstemperatur auffällig, sondern auch die geringe Anzahl warmer Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 20 Grad. Davon schaffte der Mai deutlich unterdurchschnittliche fünf, zwei davon während des einzigen kurzen Vorstoßes sehr warmer Luftmassen zum Ende der ersten Dekade waren sogar Sommertage mit bis zu 28,8 °C. Vergleicht man die einzelnen Tageshöchstwerte in Bevern mit dem jeweiligen Durchschnittswert der letzten 30 Jahre, so wurde dieser an nur vier Tagen übertroffen, aber an 27 Tagen verfehlt. Schon im April hatte dieses Verhältnis bei außergewöhnlichen 5:25 gelegen. Und wenn man bei den Monatstemperaturen April und Mai gemeinsam betrachtet, kommt man auf nur 9,1 °C – noch tiefere Werte findet man in der lokalen Klimageschichte nur 1991 und dann erst wieder 1941 sowie in den 1930er-Jahren. Mit anderen Worten: es war in den acht Wochen vor Maiende nicht nur gefühlt, sondern auch objektiv gemessen wirklich außergewöhnlich kühl, wobei im Mai weniger als im April kalte Nächte die Ursache waren: Der einzige und schwache Luftfrost wurde in Bevern mit -0,3 °C ebenso am 8. Mai gemessen wie der letzte Bodenfrost – von Eisheiligen also keine Spur.

Auch die Messungen an der dtn-Unwetterreferenzstation in Silberborn untermauern diese Bilanz: Mit einer Monatstemperatur von 9,2 °C war der Mai 2021 dort sogar um 2,2 K kälter als das Mittel der Jahre 1991-2020 und ebenfalls so kühl wie seit 2010 nicht mehr. Warme Tage suchte man fast vergeblich, doch auch auf rund 430 m Höhe reichte es am 9. für einen meteorologischen Sommertag mit 26,6 °C. Letzter Frost wurde ebenfalls am 8. gemessen.

Die Analyse der Großwetterlagen im April hatte eine deutliche Übergewichtung des Sektors Nord ergeben mit dem Zustrom polarer oder subpolarer Luftmassen. Im Mai drehte die Strömung dann ein Stück zurück (Rückdrehung meint eine Verschiebung gegen den Uhrzeigersinn), so dass nun die Anströmung aus Nordwesten, teils Westen dominierte.  Eine kurzzeitige Vorderseite eines Tiefs über den Britischen Inseln sorgte für die kräftige Erwärmung aus Süd/Südwest am Ende der ersten Dekade. Ganz überwiegend kamen die Luftmassen aber über den noch kühlen Nordostatlantik oder die Nordsee zu uns, was neben vielen Wolken zu häufigen Niederschlägen und mehrfach böig auffrischendem Wind bis hin zu einer Sturmlage am 4. und teilweise noch am 5. Mai führte. Tiefdruck dominierte bis kurz vor Monatsende, erst dann stellte sich die Wetterlage langsam auf eine trockene und wärmere Nordost- bis Ostströmung um.

Die häufigen Tiefdrucklagen sorgten in der gesamten Region für überdurchschnittliche Regenmengen, die der Natur eine weitere Entspannung verschafften. Hatte die Vegetation aufgrund der niedrigen Temperaturen einen zögernden Start hingelegt, wurde es mit Unterstützung der kurzen Warmphase, vor allem aber aufgrund der milderen Nächte und der regelmäßigen Niederschläge zunehmend sattgrün. Die Messwerte zeigen dennoch ein recht inhomogenes Bild, da neben Landregen auch diverse Schauer unterwegs waren, die sich teils eng begrenzt und unterschiedlich häufig und intensiv entwickelten. An der Klimastation in Bevern gab es ungewöhnlich viele Niederschlagstage mit 25 an der Zahl, dabei summierten sich die Regenmengen auf 79,9 mm, was einem Plus von 35% gegenüber dem Mittel der Jahre 1991-2020 entspricht.

Doch damit war Bevern sogar noch die „trockenste“ Station im Kreis und den angrenzenden Gebieten: Lüchtringen meldete 97,7 mm, Polle 98,1 mm und Hehlen 94,2 mm. In Vorwohle waren es 88,1 mm und in Amelith 84,0 mm, während in Hellental mit 102,9 mm die 100er-Marke ebenso überschritten wurde wie in Ottenstein mit 105 mm. Spitzenreiter war Silberborn, wo sogar 114 mm gemessen wurden – gut die Hälfte mehr als im Schnitt der vergangenen 30 Jahre und Balsam für die Sollingwälder. Insgesamt war es der nasseste Mai seit 2014.

Bei vielen Wolken und bis kurz vor Monatsende vorherrschendem Tiefdruck blieb nicht allzu viel Platz für die Sonne, die sich nur rund 145 Stunden lang und damit 53 Stunden oder 27% weniger als im Mittel seit 1991 zeigen konnte. Sonnenscheinreiche Tage, definiert mit einer Quote von mindestens 80% der astronomisch möglichen Menge, gab es nur zwei – am 9. sowie am 31., als die Sonne zum Monatsausklang von früh bis spät schien. Umgekehrt waren komplett trübe Tage auch kaum einmal anzutreffen, bei der rasch wechselnden Bewölkung ergaben sich auch immer wieder mal Lücken für die Sonne – zur Freude gerade von Hobbyfotografen, die mit vielen optisch reizvollen Szenen inklusive diverser Regenbögen reichlich Motive geliefert bekamen vom Aprilwetter im Mai.

Frühjahrsbilanz: Kühl, nass und trüb wie seit 2013 nicht mehr

Ein März, ein April auf Märzniveau und ein Mai auf Aprilniveau – so lässt sich das meteorologische Frühjahr 2021 bei den Temperaturen nur wenig zugespitzt zusammenfassen. Unter dem Strich war es das kühlste seit 2013, als allerdings ein extrem kalter März für Schlagzeilen sorgte und den Wert drückte. Mit nur 7,85 °C war der aktuelle Frühling an der Station in Bevern der drittkälteste seit Beginn der globalen Erwärmung 1987 – nur 2013 und 1996 liegen noch darunter. Das Klimamittel der letzten 30 Jahre wurde um fast 1,4 K verfehlt und selbst gegenüber der älteren Periode 1961-1990 steht ein Minus von 0,3 K. Die in Silberborn erzielten 5,6 °C bedeuten sogar eine Abweichung von fast -1,8 K im Vergleich zum Klimawert seit 1991, auch dort war es das drittkälteste Frühjahr seit 1987 hinter 1996 und 2013, wobei 2006 anders als in Bevern mit dem aktuellen Frühling gleichauf liegt.

Der Jahreszeitniederschlag lag in Bevern nach einem ausgeglichenen März, einem leicht überdurchschnittlichen April und einem nassen Mai mit 197,4 mm um knapp 19% über dem Schnitt der letzten 30 Jahre und deutlich über dem Niveau seit 2014, nachdem es zuletzt mehrere sehr trockene Frühjahre gegeben hatte. In Silberborn kamen 244 mm zusammen, das Plus gegenüber dem dortigen Klimawert fiel mit gut 9% aber geringer aus. Nassester Standort im Kreis war Hellental mit 260,7 mm, am wenigsten fiel in Hehlen mit 189,3 mm.

Die Sonne schließlich schien mit nur rund 410 Stunden in der Region 76 Stunden oder gut 15% weniger als im Mittel von 1991-2020, auch der alte Klimawert von 1961-1990 von 432 Stunden wurde verfehlt. Besonders markant fällt das Minus gegenüber dem Vorjahr aus, als mit 690 Stunden ein neuer Rekord aufgestellt wurde.

Autor: wesersollingwetter

Hobbymeteorologe und Autor des monatlichen Lokalwetterrückblicks im Täglichen Anzeiger Holzminden.

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