Mehr Hoch- als Frühsommer und viel zu trocken

Der Juni 2022 war der viertwärmste und zweitsonnigste seit Messbeginn

Der Klimawandel zeigt sich derzeit in kaum einem Monat so ausgeprägt wie im Juni: Bis auf den Dezember hat sich kein anderer Monat in den letzten zehn Jahren so stark erwärmt, und seit 2016 liegt die durchschnittliche Junitemperatur vor Ort sogar über der des Julimittels der Jahre 1991-2020. Die Entwicklung vom Frühsommermonat inklusive der klassischen Schafskälte hin zu mehr und mehr hochsommerlicher Witterung hat ein atemberaubendes Tempo erreicht und setzte sich auch in diesem Jahr ungebremst fort. Bei der Sonnenscheindauer wurde sogar der erst vor drei Jahren aufgestellte Rekord nur um wenige Stunden verfehlt. Während viele Menschen die vielen sonnigen Tage und lauen Abende in wieder geöffneten Biergärten und auf Freiluftveranstaltungen genießen konnten, fiel die Bilanz für die Natur weniger erfreulich aus, denn der Juni war verbreitet deutlich zu trocken. Durch hohe Temperaturen und viel Sonnenschein stieg die Verdunstung entsprechend an und mangels Feuchtenachschub von oben trockneten die Böden weiter aus.

Morgenstimmungen von Annette Mokross, Klicken für Vergrößerung

Mit einer Monatstemperatur von 18,44 °C war der Juni 2022 an der DWD-Klimastation in Bevern um 1,8 K wärmer als im Mittel der Jahre 1991-2020. Gegenüber der älteren Klimanorm von 1961-1990 betrug das Plus sogar 2,8 K. In der Zeitreihe Bevern/Holzminden ab 1934 war es der viertwärmste Juni hinter 2019, 2021 und 2003 – damit belegen nun drei der letzten vier Jahre die vordersten Plätze. Besonders auffällig ist der Anstieg der Junitemperaturen der jüngsten Vergangenheit: Der Schnitt der Jahre 2016-2021 hatte mit 18,44 °C ein Niveau sogar knapp oberhalb des Julimittels der Periode 1991-2020 erreicht – und wurde in diesem Jahr aufs Hundertstel genau getroffen.

Dabei hatte die erste Dekade noch vorwiegend frühsommerlichen Charakter, meteorologische Sommertage wurden im ersten Drittel nicht erreicht und die Nächte gestalteten sich sogar mehrfach sehr frisch. Nachfolgend setzte sich der Hochsommer mit 14 Sommertagen, darunter drei heißen Tagen, nachhaltig durch. Eine Hitzewelle blieb diesmal aber anders als 2019 und 2021 aus, und von wenigen Ausnahmen abgesehen brachten die Nächte einen Rückgang auf 15 Grad und darunter, so dass morgendliches Lüften der Wärmebelastung in den Innenräumen entgegenwirken konnte. Wärmster Tag war wie im Vorjahr der 18., diesmal mit einem Maximum von 32,9 °C.

Frische Nächte und teils Nebelbildung über der Weser wie hier am Morgen
des 3. Juni prägten den Monatsbeginn ©A. Mokross

An der privaten Wetterstation in Silberborn lag die Monatstemperatur mit 16,42°C sogar um 2,1 K über dem Mittel von 1991-2020; die Klimanorm der Jahre 1961-1990 wurde hier um 3,1 K übertroffen. Wärmster Tag war ebenfalls der 18.06. mit einem Höchstwert von 29,8 °C – ein heißer Tag wurde zumindest auf dieser Stationshöhe (428 m) knapp verfehlt. Drei weitere Sommertage kamen hinzu und eine tropische Nacht mit einem Minimum von 20,5 °C vom 18. auf den 19. – nur fünf Tage zuvor war es noch bis auf 3,9 °C hinuntergegangen. Der tiefste Wert wurde am 2. mit 3,2 °C gemessen.

Die Großwetterlagen über Europa zeigten im Juni zunächst überwiegend Westlagen, mit Ende der ersten Dekade in eine Hochdruckbrücke über Mitteleuropa übergehend. Nach Monatsmitte stellte sich dann eine Südlage mit tiefem Druck über Westeuropa und den Britischen Inseln ein, die vorderseitig sehr warme Luft zu uns pumpte.

Zwar wurden diese nach dem Katalog der Großwetterlagen https://www.orniwetter.info/wetterlagenkalender/ als überwiegend zyklonal eingestuft, die sich entwickelnden Störungen mit Schauern und Gewittern blieben aber regional begrenzt, frontales Geschehen war kaum im Spiel und flächige Regengebiete so gut wie gar nicht.

Der Himmel zeigte sich oft blau mit nur wenigen „Schönwetterwolken“ wie hier am Vormittag
des 21.06. zum Start in den astronomischen Sommer am Eulenkrug mit Blick auf
Wehrden an der gegenüberliegenden Weserseite

So blieb es auch vor Ort bei nur wenigen Niederschlagstagen, in Bevern wurden zum Beispiel ganze acht gezählt, in Silberborn zehn. Lediglich in der Nacht zum 20. fiel in der Fläche mit 10-15 mm eine größere Menge Regen und der Montag brachte bis zum Mittag ein ungewohntes Himmelsbild mit Nimbostratusgewölk, aus dem allerdings kaum noch etwas herausfiel. Danach blieb es in manchen Teilen bis zum Monatsende nahezu trocken – Ausnahme war ein lokal eng begrenzter Gewittercluster am Nachmittag des 30., der von Südwesten kommend den westlichen Teil des Kreises mit Starkregen traf und sich auf dem Weg nach Norden abschwächte. Die DWD-Radarsummen zeigen dabei Stundenwerte zwischen 15 und 16 Uhr von bis zu 40 mm in Teilen der Kreisstadt und über 30 nördlich von Höxter, gefallen in nur rund 20 Minuten. Diverse Feuerwehreinsätze wegen Überschwemmungen und umgestürzter Bäume in Holzminden waren die Folge – während es nur wenige Kilometer südöstlich im Solling weitgehend trocken blieb. Am Boden konnte dieses Ereignis nicht vollständig durch Messwerte erfasst werden, dazu ist das Stationsnetz nicht engmaschig genug. In Bevern waren es 16,9 mm in gut einer Viertelstunde, aus Lüchtringen wurden knapp 14 mm gemeldet, im Garten des Autors fielen 24,2 mm.

Starkregen am Nachmittag des 30.06. in Holzminden

Dies blieb zum Glück das einzige und im Vergleich zum Tornado über Merxhausen im Mai harmlose Unwetterereignis im Kreis im Juni – zumindest, wenn man nach der klassischen Definition geht, wonach „Unwetter“ sich als Naturgewalt in Form von Sturm, Orkan und Überflutungen zeigt. Doch immer mehr ist in letzter Zeit von Unwetter im Zusammenhang mit ausbleibendem Regen die Rede. Die Trockenheit, die im Osten des Landes bereits zu Waldbränden und Wasserknappheit führte, sie macht auch vor unserer Region nicht Halt. Und das vor allem im Solling, wo das Jahr zwar noch sehr nass begann, doch nach den nunmehr drei deutlich zu trockenen Monaten März, Mai und Juni die Reserven im Boden zur Neige gehen. In den letzten vier Monaten lag die Regensumme an der Station in Silberborn sogar um 30 mm unter der in Bevern – und das bei einer Waldvegetation, die an ein deutlich feuchteres Klima angepasst ist und nur langsam umgebaut werden kann. Hier gilt es, die weitere Entwicklung aufmerksam zu beobachten. Derzeit sieht es zwar nach einer recht moderat temperierten ersten Julihälfte mit mehr Wolken aus, aber viel Regen ist weiterhin nicht in Sicht.

Fast sieht es so aus, als präsentiere dieser Rotmilan seinen Fischfang stolz der Fotografin…
©A. Mokross

In nackten Zahlen ergab sich im Juni dieses Bild: In Bevern wurden dank des Gewitters am Monatsletzten noch 47,3 mm bzw. 70% des Klimamittels erreicht und in Lüchtringen 42,8 mm (63%). Aus Ottenstein fehlt leider die Meldung vom 30.06., bis dahin fielen nur 24,4 mm. In Polle waren es 36,9 mm, in Hehlen 32,8 mm, in Vorwohle 32,7, in Hellental 35,9 und in Amelith 34,3 mm – diese Werte entsprechend nur rund der Hälfte der Mittelwerte der letzten 30 Jahre oder noch etwas weniger. Trauriges Schlusslicht wurde Silberborn mit 30,4 mm und nur 36% des örtlichen Klimawertes. Dort fällt die Halbjahresbilanz mit 378 mm sogar noch magerer aus als 2018, das seine trockenste Phase allerdings erst von Juli bis November hatte.

Am Abend des 30.06. zog ein blitzintensives Gewitter über Polle hinweg
©A. Mokross

Die Sonne zeigte sich an jedem Tag im Juni am Himmel, selbst der trübste Tag schaffte noch fast drei Stunden. Mit 288 Stunden wurde der zweithöchste Monatswert in einem Juni seit Aufzeichnungsbeginn erzielt und der Rekord von 2019 nur um knapp zehn Stunden verfehlt. Die „längsten Tage“ brachten diesmal auch den meisten Sonnenschein: Am 22. und 23. wurden jeweils 15,6 Stunden erreicht – mehr geht in der Region aufgrund der umgebenden Höhenzüge nicht. Damit hat der Juni den März als sonnigsten Monat des laufenden Jahres abgelöst und die Bilanz per 30.06. weist 2022 mit 1.017 Stunden sogar als bisher sonnenscheinreichstes erstes Halbjahr seit Beginn der Wetterbeobachtungen aus.

Neue Sonnenscheinmesstechnik des DWD an der Station Lügde-Paenbruch – und gleich richtig was zu tun im Juni 2022, der dort die Marke von 300 h knackte
Die frühe Fotografin fängt den farbenprächtigen Morgenhimmel ein… ©A. Mokross

Autor: wesersollingwetter

Hobbymeteorologe und Autor des monatlichen Lokalwetterrückblicks im Täglichen Anzeiger Holzminden.

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