Der drittwärmste Oktober seit Messbeginn war sehr sonnig und trocken
Fotos von Annette Mokross
Mit der kühlen zweiten Septemberhälfte schien es in großen Schritten Richtung Vollherbst zu gehen und ein früher Start der Heizsaison die Energiekrise noch zu verschärfen. Doch statt der jahreszeitlich üblichen weiteren Abkühlung stand das Wetter im Oktober quasi auf dem Kopf und es wurde im Monatsverlauf immer wärmer. Am Ende gab es im deutschen Gebietsmittel mit 12,52 °C sogar einen neuen Rekord bei der Monatstemperatur, die lokale Auswertung sieht den Oktober 2022 auf Rang zwei bis drei. Dazu war es wie so oft in diesem Jahr deutlich überdurchschnittlich sonnig, während beim Niederschlag das nächste Defizit zu vermelden ist.

Mit einer Monatstemperatur von 12,37 °C war der Oktober 2022 an der DWD-Klimastation in Bevern um fast 2,5 K wärmer als im Mittel der Jahre 1991-2020. Gegenüber der älteren Klimanorm von 1961-1990 betrug das Plus fast 2,9 K. In der Zeitreihe seit 1934 sortiert er sich damit als drittwärmster hinter 2001 (13,2) und 2006 (13,0) sowie knapp vor 1995 und 2014 (je 12,3) ein. Besonders auffällig und in der Historie einmalig war dabei der Monatsverlauf: War die erste Hälfte noch nahe dem langjährigen Durchschnitt temperiert, stieg die fortlaufende Monatstemperatur im Laufe der zweiten Hälfte immer mehr an und erreichte ihren höchsten Wert ganz zum Schluss – so wie man es eigentlich in einem Frühjahrsmonat erwarten würde. In der rekordwarmen dritten Dekade gab es ein bisher kaum vorstellbares Finale, bei dem zwischen dem 27. und 30. viermal in Folge die 20-Grad-Marke überschritten wurde und die bisherigen Tagesrekorde nur so purzelten. Frost war hingegen am anderen Ende der Skala noch kein Thema, zumindest nicht in zwei Metern Messhöhe, während es in der Nacht zum 12. den ersten und bislang einzigen leichten Bodenfrost der Saison gab.
An der privaten Wetterstation in Silberborn war es relativ zum Sollingklima sogar noch wärmer: Mit 11,2 °C betrug die Abweichung zum aktuellen 30-Jahres-Mittel +3,1 K. Damit war es dort gemeinsam mit 2006 der zweitwärmste Oktober hinter dem Rekordhalter 2001 (11,5). Hauptursache für den noch höheren Überschuss war diesmal allerdings keine Inversionslage, bei der die Grundschicht im Tal auskühlt, weil die Luft nicht mehr vertikal durchmischt wird und es auch tagsüber weiter oben wärmer ist, sondern eine relativ schwache nächtliche Abkühlung mit oft hohen Minima, die als Folge der höhenwarmen Hochdrucklagen in der zweiten Monatshälfte verstärkt auftraten. Somit fiel der durchschnittliche Tiefstwert in Bevern und Silberborn trotz des Höhenunterschieds von 320 Metern fast identisch aus (7,3 zu 7,0 °C), während die Höchstwerte in Bevern im Schnitt um 3,2 K über denen in Silberborn lagen (18,3 zu 15,1), was einem für die Jahreszeit ungewöhnlich hohen vertikalen Temperaturgradienten von 0,1 K pro 100 Höhenmeter entspricht, wie man ihn sonst vorwiegend aus den Sommermonaten kennt. Folgerichtig blieb es auch im Hochsolling noch frostfrei, die kälteste Nacht zum 9. kam auf ein Minimum von 1,1 °C.

Die Analyse der Großwettertypen zeigt im wesentlichen zwei dominante Strömungsmuster: Vorwiegend West in der ersten Monatshälfte und ausschließlich den Sektor Süd in der zweiten, wobei die Großwetterlage Südwest antizyklonal (SWA) klar vorn lag. Die hochdruckgeprägte Südwestwetterlage ist mit gewissen Abstrichen im Winter die zu jeder Jahreszeit potenziell wärmste GWL und durchweg wärmer als der klimatologische Durchschnitt. Wenn „alles passt“ wie zum Monatsende, sind die Abweichungen zur Norm markant positiv, wobei das Außergewöhnliche im Oktober 2022 nicht das Auftreten der Südwestlage an sich war, sondern ihre Persistenz. Diese gestiegene Erhaltungsneigung, also das längere Andauern bestimmter Zirkulationsmuster, schreibt ein Großteil der Forschung dem Klimawandel zu.

Inwieweit der Klimawandel auch für Niederschlagsarmut verantwortlich zeichnet und ob es tatsächlich einen langfristigen Trend hin zu mehr Trockenheit gibt, ist dagegen noch nicht hinreichend erforscht. Eine Theorie besagt, dass es mit der unstrittigen und weiter zunehmenden Erwärmung sogar zu vermehrten Niederschlägen kommen könnte, weil vereinfacht gesagt warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Und zumindest im Vergleich der 30-Jahres-Klimazeiträume ab 1961 und ab 1991 gibt es bezogen auf Deutschland kein Signal in eine bestimmte Richtung. Die durchschnittlichen Jahressummen sind fast gleichgeblieben, der gemessene minimale Rückgang liegt bisher im Bereich der normalen Schwankungen. Aber: Seit 2011 ist ein Trend zu mehr Trockenheit unverkennbar, der auch vor der Weser-Solling-Region keinen Halt macht. Im Gegenteil – das Jahr 2022 verläuft vor Ort bisher sogar relativ zum Lokalklima noch trockener als in vielen anderen Teilen der Republik. Während nach dem nahezu flächig deutlich zu trockenen Sommer zum Beispiel im Südwesten und in der südlichen Mitte ein bisher sehr nasser Herbst registriert wurde, verläuft vor Ort auch die dritte Jahreszeit bisher trockener als im Schnitt.

Im Oktober dokumentiert sich dies anhand folgender Daten: An der Klimastation in Bevern fielen mit 53,6 mm etwa 78% des Mittels von 1991-2020. Regenschwerpunkte waren der Monatsbeginn und eine längere Phase ab Monatsmitte bis 24., dazwischen und danach gab zwei nahezu trockene Abschnitte. In Silberborn reichten 62,3 mm nicht einmal für 70% des langjährigen Durchschnitts, damit fehlen dort nach zehn Monaten noch rund 460 mm zur mittleren Jahressumme von ca. 1.050 mm. Im Schnitt kommen November und Dezember auf etwa 200 mm, und da auch die erste Novemberhälfte den Modellen nach in diesem Jahr nur wenig Regen bringen soll, sieht es sehr stark nach einem deutlich zu trockenen Jahr im Hochsolling aus, wenn sich in den letzten Wochen des Jahres nicht doch noch etwas dreht. Es wäre dann das vierte in den letzten fünf Jahren mit einem erheblichen Minus.
Die weiteren Stationen in der Region machten da keine Ausnahme und schnitten ebenfalls unter ihren Durchschnittswerten ab. Aus Polle wurden 53,0 mm gemeldet, aus Ottenstein 51,5 und in Hehlen waren es sogar nur 42,0. In Vorwohle fielen 46,1 mm, in Lüchtringen 48,0 und in Hellental 50,8, wo es das größte Defizit gab. In Amelith kamen zwar immerhin 66,9 mm zusammen, aber auch dort reichte es längst nicht zum Klimamittelwert.

Beim Sonnenschein gab es nach dem kleinen Durchhänger im September ein weiteres deutliches Plus und damit bleibt 2022 auf dem Weg zu einem der sonnigsten Jahre seit Aufzeichnungsbeginn 1951. Der Oktober steuerte dazu rund 145 Stunden und damit fast die anderthalbfache Menge seines langjährigen Mittels bei. Unabhängig vom Verlauf des Restjahres liegen vier der letzten fünf Jahre (einzige Ausnahme war das trübe Vorjahr) bei Jahressummen zwischen gut 1.700 und fast 1.900 Stunden. Bei einem 30-Jahres-Mittel von knapp 1.520 Stunden ist das Überstundenkonto also mehr als prall gefüllt und es wird interessant zu beobachten sein, ob wir es hier mit einer vorübergehenden Häufung sehr sonniger Jahre zu tun haben oder ob es sich um einen fundamentalen Trend handelt.
















